1831 -1873
1831 -1873

Eine Vision wird Realität

Berlins Aufstieg zur Industriemetropole
Rund um die Stadt wachsen Schornsteine in die Höhe. Industrieriesen wie Borsig, Agfa, Siemens & Halske oder AEG machen Berlin zur Hauptstadt der Hochtechnologie. Mittelalterlich hingegen sind die hygienischen Verhältnisse, die immer wieder zu schweren Epidemien führen. Am 06. März 1873 schließlich beschließt der Berliner Magistrat eine wegweisende Zukunftsinvestition.
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Er will das Abwasser von der Straße verbannen und über unterirdische Druckleitungen vor die Tore der Stadt pumpen. Sein visionäres Modell setzt Felder zur Reinigung der Abwässer ein und ermöglicht zugleich eine landwirtschaftliche Nutzung der dadurch fruchtbarer werdenden Böden. Mit dem Beschluss zum Bau einer Kanalisation legt die Stadtverordnetenversammlung am 6. März 1873 den Grundstein für die Entwicklung Berlins zu einer der gesündesten und modernsten Großstädte der Welt. Der Bau der Kanalisation bedeutet für die Stadt eine erhebliche finanzielle Anstrengung. Zudem braucht die Stadt Flächen vor den Toren der Stadt. Zunächst kauft Berlin die Güter Osdorf und Friederikenhof. Später kommen weitere hinzu. Mit der damit verbundenen landwirtschaftlichen Tätigkeit beginnt auch die Geschichte der BERLINER STADTGÜTER. Gutsgebäude und Ställe werden errichtet, Flächen erweitert und Rieselfelder an Bauern verpachtet. 1922 verfügen die Berliner Stadtgüter über eine Fläche von 50.000 Hektar. Neben Rieselfeldern gehören auch Forst- und Naturlandflächen dazu.

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Wachsendes Elend

1831 wütet in der preußischen Hauptstadt eine Choleraepidemie, die viele Menschenleben kostet. Grund sind erbärmliche hygienische Verhältnisse, denn die technische Infrastruktur kann nicht Schritt halten. Besonders schlimm sind die Zustände in den Elendsvierteln in Osten und Norden der Stadt. Hier bewohnt sich eine ganze Familie einen einzigen Raum. Rund 50 Menschen teilen sich eine Toilette. Menschen müssen Latrinen und Abtritte in Hinterhöfen nutzen. Im offenen Rinnstein schwimmen Fäkalien.

Wer nicht bis vor der Einrichtung der Kanalisation zurückdenken kann, der kann sich gar keine Vorstellung von Berlin von anno dazumal im Winter machen (… ] Wenn […]Schnee fiel, der sich in der Nähe der Schlächtereien blutig färbte […] erwuchsen […] stattliche Berge von Eis, Schmutz, Schnee. Asche, Küchenabfällen usw. und oft – sehr oft sah ich auf solchen Bergen auch Menschenkot!!
Hugo Wauer, Journalist

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Das außergewöhnliche Wachstum zog stetige Veränderungen der Stadt- und Verkehrsplanung nach sich und beeinflusste auch den Bau der Kanalisation. Dabei bewährte sich die Flexibilität der Radialsysteme, da diese unabhängig voneinander in Betrieb genommen werden konnten. James Hobrecht sah die Berliner Kanalisation „gegenüber vielen halbherzigen Versuchen in andern Städten“ deshalb als überzeugendes Vorbild. Tatsächlich gehörte Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert zu den saubersten Städten der Welt. Überall wurde die Metropole deswegen bewundert. „Man wandert durch saubere Straßen, deren Toilette regelmäßig und mit Sorgfalt besorgt wird“, schrieb etwa der französische Reiseschriftsteller Jules Huret. 15 Jahre nach Baubeginn waren bereits über eine Million Haushalte am Netz. 1909 waren alle Radialsysteme in Betrieb.

Schlechte hygienische Verhältnisse

Aber auch in den feineren Gegenden in der Stadtmitte oder im aufstrebenden Westen waren die hygienischen Bedingungen schlecht. Die technische Infrastruktur konnte mit dem extremen Zuzug zu Beginn der Industrialisierung nicht Schritt halten. Menschen nutzten Latrinen und Abtritte in Hinterhöfen; Es war üblich, Fäkalien im Rinnstein zu entsorgen. Gesetzlich zugelassen war dies zwar nur für Flüssigkeiten; in der Praxis jedoch gelangte jeglicher Unrat in den öffentlichen Raum. Schließlich wurden die Zustände schier unerträglich. 

1800-1900
1800-1900

Eine Vision wird Realität

Berlins Aufstieg zur Industriemetropole
Unsere Reise beginnt im Berlin der Industrialisierung, einer Zeit, in der sich die einst beschauliche Residenzstadt zum Magneten für Zuwanderung entwickelte. Die Industrialisierung veränderte das Leben und Wirtschaften in rasendem Tempo. Eisenbahnstrecken wurden gebaut und schon bald sollte die erste „Elektrische“ durch die Stadt fahren. Rund um die Stadt wuchsen Schornsteine in die Höhe, Berlin wurde zum größten Industriezentrum Deutschlands. Industrieriesen wie Borsig, Agfa, Siemens & Halske oder AEG machten Berlin zur Hauptstadt der Hochtechnologie und boten Arbeitsplätze, die immer mehr Zuwanderer anzog.
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Er will das Abwasser von der Straße verbannen und über unterirdische Druckleitungen vor die Tore der Stadt pumpen. Sein visionäres Modell setzt Felder zur Reinigung der Abwässer ein und ermöglicht zugleich eine landwirtschaftliche Nutzung der dadurch fruchtbarer werdenden Böden. Mit dem Beschluss zum Bau einer Kanalisation legt die Stadtverordnetenversammlung am 6. März 1873 den Grundstein für die Entwicklung Berlins zu einer der gesündesten und modernsten Großstädte der Welt. Der Bau der Kanalisation bedeutet für die Stadt eine erhebliche finanzielle Anstrengung. Zudem braucht die Stadt Flächen vor den Toren der Stadt. Zunächst kauft Berlin die Güter Osdorf und Friederikenhof. Später kommen weitere hinzu. Mit der damit verbundenen landwirtschaftlichen Tätigkeit beginnt auch die Geschichte der BERLINER STADTGÜTER. Gutsgebäude und Ställe werden errichtet, Flächen erweitert und Rieselfelder an Bauern verpachtet. 1922 verfügen die Berliner Stadtgüter über eine Fläche von 50.000 Hektar. Neben Rieselfeldern gehören auch Forst- und Naturlandflächen dazu.

Dein Interesse geweckt und noch nicht genug? Hier kannst du noch viel mehr erfahren . . .

Wachsendes Elend

Vor allem Menschen aus ländlichen Regionen strömten auf der Suche nach Arbeit in die Stadt und hofften auf ein besseres Leben. „Der echte Berliner kommt ohnehin aus Schlesien“, wusste der Volksmund. Als 1861 der Wedding, Moabit und Gesundbrunnen eingemeindet wurden, hatte sich die Einwohnerzahl seit Jahrhundertbeginn bereits auf über 500 .000 verdreifacht. Aber mit der Bevölkerung wuchs auch die Armut in der Stadt.

Wer nicht bis vor der Einrichtung der Kanalisation zurückdenken kann, der kann sich gar keine Vorstellung von Berlin von anno dazumal im Winter machen (… ] Wenn […]Schnee fiel, der sich in der Nähe der Schlächtereien blutig färbte […] erwuchsen […] stattliche Berge von Eis, Schmutz, Schnee. Asche, Küchenabfällen usw. und oft – sehr oft sah ich auf solchen Bergen auch Menschenkot!!
Hugo Wauer, Journalist

Insbesondere im Norden und Osten der Stadt entstanden Elendsviertel. Schon in den 1820er Jahren wurden die ersten Mietskasernen erbaut. Traurige Berühmtheit erlangten die vom Immobilienspekulanten Heinrich Otto von Wülcknitz errichteten „Familienhäuser“. Eine ganze Familie bewohnte hier einen einzigen Raum – ohne Kochgelegenheit oder Wasseranschluss. Rund 50 Menschen teilten sich eine Toilette. Es herrschten unfassbare hygienische Verhältnisse.
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Das außergewöhnliche Wachstum zog stetige Veränderungen der Stadt- und Verkehrsplanung nach sich und beeinflusste auch den Bau der Kanalisation. Dabei bewährte sich die Flexibilität der Radialsysteme, da diese unabhängig voneinander in Betrieb genommen werden konnten. James Hobrecht sah die Berliner Kanalisation „gegenüber vielen halbherzigen Versuchen in andern Städten“ deshalb als überzeugendes Vorbild. Tatsächlich gehörte Berlin im ausgehenden 19. Jahrhundert zu den saubersten Städten der Welt. Überall wurde die Metropole deswegen bewundert. „Man wandert durch saubere Straßen, deren Toilette regelmäßig und mit Sorgfalt besorgt wird“, schrieb etwa der französische Reiseschriftsteller Jules Huret. 15 Jahre nach Baubeginn waren bereits über eine Million Haushalte am Netz. 1909 waren alle Radialsysteme in Betrieb.

Schlechte hygienische Verhältnisse

Aber auch in den feineren Gegenden in der Stadtmitte oder im aufstrebenden Westen waren die hygienischen Bedingungen schlecht. Die technische Infrastruktur konnte mit dem extremen Zuzug zu Beginn der Industrialisierung nicht Schritt halten. Menschen nutzten Latrinen und Abtritte in Hinterhöfen; Es war üblich, Fäkalien im Rinnstein zu entsorgen. Gesetzlich zugelassen war dies zwar nur für Flüssigkeiten; in der Praxis jedoch gelangte jeglicher Unrat in den öffentlichen Raum. Schließlich wurden die Zustände schier unerträglich.