Borsigwerke, akg-images / Eduard Biermann, Stiftung Stadtmuseum

1831 -1873: Die Vorgeschichte: Berlin wird zur Industriemetropole

Rund um die Stadt wuchsen Schornsteine in die Höhe. Industrieriesen wie Borsig, Agfa, Siemens & Halske oder AEG machten Berlin zur Hauptstadt der Hochtechnologie. Mittelalterlich hingegen waren die hygienischen Verhältnisse, die immer wieder zu schweren Epidemien führten. Am 06. März 1873 schließlich beschloss der Berliner Magistrat eine wegweisende Zukunftsinvestition.

Wachsendes Elend

1831 wütete in der preußischen Hauptstadt eine Choleraepidemie, die viele Menschenleben kostete. Grund waren erbärmliche hygienische Verhältnisse, denn die Infrastruktur konnte mit dem enormen Bevölkerungszuwachs nicht Schritt halten. Besonders schlimm waren die Zustände in den Elendsvierteln im Osten und Norden der Stadt. Hier bewohnte eine ganze Familie einen einzigen Raum. Rund 50 Personen teilten sich eine Toilette. Menschen mussten Latrinen und Abtritte in Hinterhöfen nutzen. Im offenen Rinnstein schwammen Fäkalien.
Wohnungselend: Bundesarchiv, Bild 183-1983-0225-309 / CC-BY-SA 3.0, Eduard Gaertner, Die Parochialstraße: Bpk/Nationalgalerie, SMB, Jörg P. Anders / Hoflatrine aus 19. JH,© Stiftung Stadtmuseum Berlin
Hobrecht-Plan 1862

Lösungsversuche

Lösungen für das Abwasserproblem mussten gefunden werden. 1860 machte sich eine wissenschaftliche Kommission auf Forschungsreise in andere europäische Hauptstädte. Die Idee einer modernen Kanalisation für Berlin wurde geboren. Der Hobrecht-Plan von 1862 sollte das Wachstum der Stadt ordnen und umfasste auch Planungen für technische und hygienische Maßnahmen sowie für die Verkehrsinfrastruktur.
James Hobrecht

James Hobrecht

Eine Debatte entbrennt

Bisher waren Fuhrunternehmen für die Abfuhr von Fäkalien zuständig, die in Sickergruben oder Wechseltonnen gesammelt und in der Landwirtschaft als Düngemittel verwendet wurden. Unter dem Slogan „Oben bleiben!“ kämpften die Unternehmer für ihr Geschäftsmodell. Dabei schreckten sie auch vor Fake News und Ammenmärchen nicht zurück. 

Pferdekarren, jenikirbyhistory.getarchive.net

Ein visionäres System entsteht

Mit einem bahnbrechenden, damals hochmodernen Kanalisationssystem wollte der Baustadtrat James Hobrecht das Abwasser von der Straße verbannen und über unterirdische Druckleitungen vor die Tore der Stadt pumpen. Sein visionäres Modell setzte Felder zur Reinigung der Abwässer ein und ermöglichte zugleich eine landwirtschaftliche Nutzung der dadurch fruchtbarer werdenden Böden.
Berlin, Kanalisation / A.Dressel 1907, akg-images

Ein Beschluss mit enormer Wirkung

Am 6. März 1873 beschloss die Stadtverordnetenversammlung den Bau des Abwasserentsorgungssystems nach Hobrechts Plänen: 1874 erwarb die Stadt die ersten Rieselgüter Osdorf und Friederickenhof. Gutsgebäude und Ställe wurden errichtet, Flächen erweitert und Rieselfelder an Bauern verpachtet.

Geschichte(n) zur Geschichte

Forscher unter sich

Vor der Verrieselung war die Wissenschaft gefragt: Wie viel Fläche braucht Berlins Abwasser? Welche Pflanzen eignen sich? Zwei alte Wissenschaftler diskutieren die wichtigsten Fragen.

Die Geschichte (Text: Friedhelm Maria Leistner) sprechen Valentin, Baumanagement, seit 2017 bei den Berliner Stadtgütern und Moritz, IT, seit 2010 bei den Berliner Stadtgütern.

Der Gegner

Die moderne Kanalisation soll das alte Abfuhrsystem ersetzen. Die Fuhrunternehmer fürchten um ihr Geschäftsmodell und rufen zum Protest auf.

Die Geschichte (Text: Friedhelm Maria Leistner) spricht Norbert, Vertragsmanagement, seit 1988 bei den Berliner Stadtgütern.

Geschichte einer Dienstmagd

Frieda Bauke ist Kindermädchen und freut sich, dass die Straßen in Berlin endlich sauber sind.

Ihre Geschichte (Text: Friedhelm Maria Leistner) spricht Anja, Portfoliomanagement, seit 2022 bei den Berliner Stadtgütern.