Foto: Glienicker Brücke, Bpk/Klaus Lehnartz

1989-2008: Eine Idee wird wiederentdeckt

Nach dem Mauerfall am 9. November 1989 änderte sich für die Menschen in der DDR innerhalb kürzester Zeit nahezu alles. Auch für die Berliner Stadtgüter begann eine Zeit der rasanten Veränderungen, denn klar war: Ohne grundlegende Umstrukturierungen würden die Berliner Stadtgüter im vereinigten Deutschland nicht überlebensfähig sein. Berlin wollte die Stadtgüter nicht nur sanieren, sondern auch an die Gründungsideen anknüpfen.

Die Rückübertragung der Güter

Nach der Vereinigung der beiden Deutschlands mussten die Eigentumsverhältnisse der ehemaligen VEG geklärt werden. Eine schwierige Aufgabe, da in der DDR viele Flächen getauscht, bebaut, verkauft oder zweckentfremdet und viele Grundbucheinträge nach 1945 vernichtet worden waren. Durch die Rückübertragung gelangte das vereinigte Berlin schließlich nach fast einem halben Jahrhundert wieder in den Besitz seiner vor mehr als 100 Jahren erworbenen Güter. Viele Liegenschaften waren jedoch in einem schlechten Zustand.

Berlin wird zum größten Landwirt Deutschlands

Nachfolgerin der Volkseigenen Güter wurde die am 18. November 1991 gegründete Betriebsgesellschaft Stadtgüter Berlin mbH (BSB). Erster Geschäftsführer war Dr. Démètre Zavlaris. Die BSB bewirtschaftete knapp 18.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen und besaß etwa 34.000 Schweine, 25.000 Mastrinder, 10.000 Kühe, 5.600 Schafe sowie unzählige Hühner. Im Gründungsjahr bot die BSB rund 4.000 Menschen Arbeit. Die zukünftige Hauptstadt wurde 1991 damit zum größten Landwirt Deutschlands.

Marktwirtschaft statt Planwirtschaft

Der Betrieb der Güter schrieb tiefrote Zahlen und sollte deshalb grundlegend reformiert werden. Der Personalbestand wurde drastisch reduziert. Unrentable Betriebsteile wurden eingestellt. Die Stadtgüterflächen sollten künftig vorrangig zur Erholung und Ressourcensicherung im Berliner Umland beitragen, so das Entwicklungskonzept von 1992. Nur einzelne Flächen wurden für die Bebauung freigegeben, etwa für die Erweiterung des Flughafens in Schönefeld (BER) oder für den Bau von Teilen des Güterverkehrszentrums in Großbeeren.

Die Rettung der Stadtgüter-Idee

Schnell war klar, dass man an die Idee der Stadtgüter anknüpfen und die Chancen nutzen wollte, die aus dem Schatz der Stadtgüterflächen für die Metropole und ihr Umland erwachsen. Im Gegensatz zu anderen Großstädten waren in Berlin eine klare Stadtkante und Landwirtschaft bis vor die Tore der Stadt erhalten geblieben. Der Erhalt und die Entwicklung von Grün- und Freiflächen waren wichtig, aber auch die vorsichtige Wiederbelebung und Renaturierung weitgehend ausgeräumter Flächen. Zur Erzeugung erneuerbarer Energien stellte die BSB bald erste Flächen zur Verfügung.

Foto 1 Bürgermeister Momper und Oberbürgermeister Schwierzina bei Kommunalwahl 1990 /Foto 2 Diepgen, Bundesarchiv, B 145 Bild-F082405-0037 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0

Zukunft der Landwirtschaft

Bei der Produktion landwirtschaftlicher Erträge fokussierte sich die BSB auf die Milchproduktion, dem wirtschaftlichsten Bereich des Unternehmens. Grund hierfür: die Milchquote der EU, die die Milchproduktion im großen Stil profitabel machte. Durch gezielte Maßnahmen sollte zudem die Agrarstruktur umweltverträglicher gestaltet werden, etwa durch die Einführung eines effektiven Bodenmanagements. Experten überprüften, welche Nutzungsformen für welche Flächen standortgerecht und betriebsnotwendig waren.

Die Landwirtschaft wird privatisiert

Trotz aller Umstrukturierungen war der Betrieb der Stadtgüter weiter von öffentlichen Zuschüssen abhängig. Deshalb beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus 2001 die Privatisierung der Landwirtschaft. 2005 wurden die ersten Güter veräußert, 2007 war die Privatisierung abgeschlossen. Die Verwaltung der Flächen übernahm die am 1. Januar 2002 gegründete Berliner Stadtgutliegenschafts-Management GmbH & Co. Grundstücks KG (BSGM). Seither werden die landwirtschaftlichen Flächen der Stadtgüter von privaten Landwirten bewirtschaftet.

Geschichte(n) zur Geschichte

Autofahrt

Wie erlebten die Menschen auf den Stadtgütern den rasanten Wandel? Belauschen Sie ein Gespräch bei einer Autofahrt nach Brüssel, wo zwei Gutsmitarbeiter für die Förderung der Stadtgüter kämpfen wollen.

Die Geschichte (Text: Friedhelm Maria Leistner) sprechen Valentin, Baumanagement, seit 2017 Mitarbeiter der Stadtgüter und Michaela, Liegenschaften, seit 1992 bei den Berliner Stadtgütern.